Die meisten Menschen überblicken die Komplexität in unserer Welt nicht mehr. Man kann vielleicht kurzfristig noch Symptome vorhersagen, viel mehr auch nicht. Und so fügen sich die meisten still ihrem Schicksal und passen sich dem grossen Ganzen einfach an. Dies war in der Vergangenheit immer die Strategie, für die die Menschen belohnt wurden. Wenn aber vom Grossteil der Menschen die Zusammenhänge nicht mehr durchschaubar sind, muss dieses Sinnvakuum gefüllt werden. An dieser Stelle setzt die Ideologie an. Sie gibt eine Orientierung vor und liefert Antworten auf die drängenden Fragen der Menschen. Eine Ideologie hat auch die Macht, den Wert des Geldes festzusetzen oder die Globalisierung der Märkte durchzusetzen. Sie bestimmt die Spielregeln. Die Ideologie erwartet dann vom Menschen auch, dass sie sich an die Spielregeln halten, weil das das Beste für alle ist und nur so Wachstum, Fortschritt und Wohlstand zu erreichen ist. Und aufgrund der Funktionsweise unseres Geldsystems ist Fortschritt und Wachstum unser Schicksal, alles andere muss sich dem unterordnen. Im ersten Teil des vorliegenden Blog soll gezeigt werden, dass aber genau das unreflektierte gleichgeschaltete Denken und Handeln die Ursache für unsere derzeitige Wirtschafts- und Gesellschaftskrisen ist. Es werden darüberhinaus Massnahmen vorgestellt, mit denen man sich vor den Folgen der unaufhaltsamen Entwicklungen schützen kann.
1. Symbiose in ökologischen Systemen
Der größte Teil der Biomasse auf der Erde besteht aus ökologischen Systemen, in denen das Prinzip der Symbiose stattfindet. Symbiose bedeutet Zusammenleben von unterschiedlichen Arten zum gemeinsamen Vorteil aller. So weiss man beispielsweise von Bäumen, die in Symbiose mit Pilzen stehen, dass diese aufgrund des Nährstoffaustauschs schneller und kräftiger wachsen. Der Wirt ist hierbei der Baum und der Symbiont der Pilz. Oft ist die Wechselwirkung so ausgeprägt, dass Wirt und Symbiont nicht ohne einander existieren können, wie es etwa bei Parasiten zu beobachten ist. Die Wechselwirkung zwischen Wirt und Parasit und die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen sind die wichtigen Kontrollparameter, die über Stabilität und damit Anzahl der Lebewesen in einem Ökosystem bestimmen. Was mit der Stabilität eines ökologischen Systems passiert, dass um seine Kontrollinstanzen beraubt worden ist, zeigt uns der Fall der Hirsche im Kaibab-Gebiet. Das Kaibab-Gebiet wurde 1906 als Wildschutzgebiet ausgezeichnet. Die Hirschjagd wurde verboten und von Regierungsseite zusätzlich Berglöwen, Kojoten, Luchse sowie Wölfe getötet. Der Biologe Kay berichtet, dass dadurch die anfängliche Zahl von 4.000 Hirschen auf über 100.000 Hirsche im Jahr 1924 stieg. Die Ausschaltung der Wachstumsregulierung durch natürlichen Feinde – wozu übrigens auch der Mensch gehörte - liess die Hirschbestände explosionsartig ansteigen und führte schliesslich zu einer Überweidung. Die ökologische Tragfähigkeit des Systems war überschritten worden und führte zum unaufhaltsamen Niedergang der Hirschpopulation, wie nachfolgende Grafik zeigt.
In jedem System gibt es eine maximale Belastungsgrenze oder Tragfähigkeitsgrenze (Höchstzahl einer Bevölkerung, die auf Grundlage der in ihrem Lebensraum vorhandenen natürlichen Ressourcen Nahrung finden kann), die, wenn sie einmal nachhaltig überschritten wurde, bestimmte unaufhaltsame Entwicklungen einleitet. Die anfängliche Tragfähigkeit des Kaibab-Gebietes wurde auf 30.000 Hirsche geschätzt. Als schliesslich der Kollaps einsetzte, war diese anfängliche Tragfähigkeit durch die Überweidung stark gesunken, so dass sich das neue stabile Gleichgewicht, wie in der Abbildung zu erkennen ist, erst bei deutlich unter 30.000 Hirschen wieder einpendelte.
Oft wird über die Abgrenzungen zwischen Wirt und Parasit unter den Menschen hitzig diskutiert. Vergessen wird dabei meistens, dass der Mensch selbst Teil des Systems ist und eine Rolle beim ökologischen Gleichgewicht einnimmt, denn selbstverständlich stehen auch Menschen in unmittelbarer Wechselwirkung mit ihrem ökologischen Umfeld und ihren natürlichen Feinden. Als solche natürliche Feinde des Menschen gelten beispielsweise Parasiten als Träger von Infektionskrankheiten. Die Wechselwirkung hierbei besteht u.a. darin, dass zum Ausbruch von Infektionskrankheiten eine bestimmte Mindestdichte von Menschen vorhanden sein muss, damit sich die Infektion weiter ausbreiten kann. William McNeill beschreibt, wie ein Anstieg in der Bevölkerung zu einer höheren Bevölkerungsdichte führt, die ideale Voraussetzungen für das Entstehen von Infektionskrankheiten entstehen lässt. Insbesondere in Städten, wo die höchste Dichte an Menschen anzutreffen war, sorgten Infektionskrankheiten in früheren Jahrhunderten dann für teilweise dramatische Bevölkerungsrückgänge. Am Beispiel der Bevölkerungsentwicklung Ägyptens der Jahres 575 v.Chr. bis zum Jahr 1930 lässt sich das Zusammenspiel von Parasiten und Bevölkerungsentwicklung illustrieren.[2]
In einem instabilen System sind entweder die Parasiten oder die Wirte zu stark geworden. Je stärker die Dichte der Parasiten steigt, desto schneller nimmt die Zeit ab, die zur Verfügung steht, um einen neuen Wirt zu finden. In dem Versuch einen solch neuen Wirt zu finden, kommt es zu einem tödlichen Verdrängungswettbewerb unter den Parasiten, wodurch sich das System als Ganzes automatisch wieder stabilisiert. Bei Infektionskrankheiten, wie beispielsweise der Pest, lässt sich beobachten, dass diese, nachdem sie gewütet hat, oft von ganz alleine ausstirbt, unter anderem deswegen, weil die meisten Parasiten nicht ohne Wirt überlebensfähig sind. Der sowjetische Wissenschaftler G.F. Gause hat in diesem Zusammenhang das sogenannte Konkurrenzausschlussprinzip experimentell nachgewiesen: Zwei Arten mit gleichen Ansprüchen an die Umwelt können auf Dauer nicht nebeneinander existieren. Die überlegener Art wird die schwächere Art verdrängen.
Tödliche Krankheiten, die durch Parasiten ausgelöst werden, sind nicht bloss ein entferntes historisches Phänomen sondern eine permanente Bedrohung der Menschheit. Auch heute stellen Infektionskrankheiten (mit etwa 15 Millionen Toten im Jahr 2006) noch die häufigste Todesursache weltweit dar. Ø Klimawandel bringt neue Mücken und Viren Nachfolgende Grafik zeigt ein Kind, das sich mit Pocken infiziert hat.
Nun hat sich allerdings in den letzten zweihundert Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung in der ganzen Welt vollzogen. Bessere medizinische Versorgung (z.B. Antibiotika, Impfungen), bessere Hygiene und ein allgemein besseres Verständnis um die Ansteckungsgefahren haben die grössten Schrecken von Infektionskrankheiten zumindest in der westlichen Welt scheinbar gebändigt. Die Schattenseite dieser Entwicklung ist allerdings auch, dass dadurch insbesondere seit Ende des Zweiten Weltkrieges die Erdbevölkerung[4] förmlich explodiert ist. Der Grund für den Anstieg nicht eine allgemein höhere Geburtenrate zu finden ist, sondern dass die Anzahl der Sterbefälle dramatisch zurückgegangen ist. Vor dem 18. Jahrhundert erreichten ca. 25% aller Neugeborenen ihren 18. Geburtstag oder anders ausgedrückt, 75% aller Menschen starben in den ersten 18 Jahren ihres Lebens. Das Bedürfnis nach Vorsorge im Alter stellte sich den meisten also gar nicht. Es lohnte sich in den meisten Fällen zu weit in die Zukunft zu planen. Gelebt wurde im Hier und Jetzt.
Weltbevölkerung von 0 bis 2010 n. Chr. in Mio. Menschen |
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| 0 | 1000 | 1500 | 1820 | 1950 | 2010 |
Deutschland | 3 | 3.5 | 12 | 24.9 | 68.3 | 82.3 |
Italien | 7 | 5 | 10.5 | 20.2 | 47.1 | 60.5 |
UK | 0.8 | 2 | 3.9 | 21.2 | 50.4 | 62 |
US | 0.7 | 1.3 | 2 | 10 | 152.3 | 309 |
Japan | 3 | 7.5 | 15.4 | 31 | 83.5 | 126.5 |
China | 59.6 | 59 | 103 | 381 | 546.8 | 1340 |
Indien | 75 | 75 | 110 | 209 | 359 | 1223 |
Welt | 231 | 268 | 438 | 1041 | 2524 | 6910 |
Quelle. Deutsche Bank (2011)
Das Ausmass und das Tempo des Fortschritts übertrifft in diesem Jahrhundert alles was die Menschheit bislang gesehen hat. Auch der Lebensstandard der Massen ist zusammen mit dem Gesundheitsstand höher als zu jeder anderen Zeit. Wie konnte der Mensch so etwas überhaupt erreichen?
Am Ende der Kaltzeit vor ca. 12.000 Jahren begann die Entwicklung der modernen Kultur. In der Region, die das Gebiet zwischen dem heutigen Irak und Ägypten umspannte, waren die klimatischen Bedingungen günstig für die ersten Gesellschaften, um über die reine Existenzsicherung hinaus Überschüsse produzieren und damit handeln zu können. Die ersten Städte bildeten somit die Keimzelle der europäischen Zivilisationen. Die stärkere Verflechtung der Interessen förderte die Zusammenarbeit und damit auch wieder die gegenseitige Abhängigkeit. So entwickelte sich der allgemeine Fortschritt, der in einer Art Kettenreaktion in Gang gehalten wurde. Mehr Menschen bedeutet höhere Nachfrage nach Nahrungsmitteln, das wiederum zwang zum Aufbau einer Landwirtschaft, die Innovationen brauchte, um Ernteerträge zu erhöhen. Die höhere Produktivität und bessere Ressourcenverwendung liess die Bevölkerung weiter steigern. Erst der Bevölkerungsdruck mit ihrem Potential an Arbeitskraft und dem Aufstiegswillen der Menschen hat die industrielle Revolution ermöglicht. Wobei die Menschen schon vor der Industriellen Revolution den Willen zum Aufstieg hatten. Der Grund, warum sie es diesmal schafften, lag daran, dass das industrielle System auf hoch konzentrierte Energieformen zurückgreifen konnte (Kohle, Öl) und damit eine Hebelwirkung erreichte. ...und von diesen Reserven lebt es. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und dem Einsatz von Kohle konnte die menschliche Muskelkraft verhundertfacht werden. Brauchte ein Bauer für die Ackerbestellung beispielsweise 2 Wochen Muskelkraft, so schafft er heute die gleiche Menge mit Hilfe eines vollgetankten 350 PS Traktors in rund einer halben Stunde. Viele Experten sind der Ansicht, dass genau die Verfügbarkeit günstiger und überschüssiger Energiequellen den immer grösseren organisatorischen Aufwand für die Deckung des Nahrungsmittelbedarf ursächlich dafür war, dass die Menschheit ihre scheinbare evolutionäre Schwelle überwunden und dadurch alle bisherigen menschlichen Traditionen und gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien obsolet werden liess. Die höhere Lebenserwartung veranlasste die Menschen dazu, mehr zu planen und für die Zukunft vorzusorgen. Dieser seit zweihundert Jahren ungebrochene Glaube an eine immer bessere Zukunft der Menschheit blockiert allerdings eine objektive Bewertung menschlicher Gesellschaftsentwicklungen. Es dominiert das Selbstbild, als einer historischen Bestimmung vorgesehene ewige Mission, neue Ziele anzustreben und diese auch zu erreichen. Die Geschichte unserer Zivilisation wird dann als eine Treppe aufgefasst, auf der die Menschheit aufsteigt. Damit wird die scheinbar gewonnene Macht über die Natur und über sein Schicksal zu einer Weltanschauung bzw. Ideologie. Auch wenn man weiss, dass die natürlichen Ressourcen irgendwann erschöpft sein werden, so verlässt sich der zivilisierte Mensch darauf, dass ihm dann zu gegebener Zeit eine Lösung des Problems einfallen wird. Der Zauber des Fortschritts kann auch brüchig werden: Wie die jüngsten Umweltkatastrophen im Golf von Mexiko oder Fukushima zeigen ist es dann oftmals auch ein Schock, wenn das Idealbild von Machbarkeit auf die der Realität von völliger Hilflosigkeit in Situationen, wo das System nicht so will wie der Mensch, zusammentrifft. Wie immer in der Geschichte, treffen solche Ereignisse die meisten Menschen dann unvorbereitet und ahnungslos.[7]
2. Symbiose in Wirtschaftssystemen
Betrachten wird ein anderes Ökosystem, in dem die Prinzipien der maximalen Tragfähigkeit, Bevölkerungsdichte und Symbiose stattfinden: unser Wirtschaftssystem. Hier spielt die Wechselwirkung zwischen Finanz- und Realwirtschaft die entscheidende Rolle. Die Symbiose zwischen beiden liegt daran, dass Finanzkapital die Realwirtschaft in Gang hält. Durch den Nährstoffaustausch – Gewinne und Wohlstand– profitieren beide. Wächst das Finanzkapital allerdings unkontrolliert an, mutiert das Finanzkapital von einem Symbionten zu einem Parasiten. Wie ist das zu erklären? In der Realwirtschaft werden Güter produziert und Dienstleistungen erbracht. Die Realwirtschaft hängt direkt von der Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen (z. B. Öl) ab. Auf der anderen Seite kann erst durch die Mobilisierung von Finanzkapital Innovationen und Fortschritt in der Realwirtschaft ausgelöst werden. Die Finanzmärkte selbst sind von der Realwirtschaft abhängig. Isoliert betrachtet sind Finanzmärkte ein reines Nullsummenspiel, in Kombination mit der Realwirtschaft funktionieren sie aber als ein Verteilungssystem für die entstandenen Werte, die vorher in der Realwirtschaft erwirtschaftet wurden. Wird die maximale Tragfähigkeit des Wirtschaftssystems allerdings überschritten, werden Gegenbewegungen (als eine Art (Selbst-)Kontrollparameter) aktiviert und lösen eine Bereinigungskrise aus, wie wir derzeit erleben können: In den vier Jahren seit Ausbruch der Krise im Jahre 2007 haben sich die Staaten so verschuldet wie nie zuvor. An der Peripherie der EU taumeln die Staaten vor dem drohenden Staatsbankrott unter den Rettungsschirm. Der Ausnahmezustand der Eurokrise ist längst zum Dauerzustand geworden. Zuvor waren die Ukraine, Lettland, Ungarn, Rumänien, Island und weitere Länder vom Internationalen Währungsfonds gerettet werden. Die USA und Japan drohen ebenfalls an ihren Schulden zu ersticken. Die Ursachen dieser Entwicklung sind in allen Ländern die gleichen: Die Abkopplung von Real- und Finanzwirtschaft.
Um zu verstehen, welchen Einfluss das Finanzsystem auf die Realwirtschaft und Gesellschaft hat, ist es zu allererst notwendig zu verstehen, wie unser Geldsystem funktioniert. Was viele Menschen oftmals überraschend finden: Nicht die Zentralbanken, sondern die Banken selbst kreieren durch Vergabe von Krediten an Staat, Unternehmen und private Haushalte Geld. Das Geld wird durch eine blosse Gutschrift auf einem Konto kreiert, es findet keine Umbuchung von anderen Guthabenkonten oder gar Überweisung von der Zentralbank statt. Wenn also jemand einen Kredit bei einer Bank beantragt, entsteht ab dem Moment seiner Kreierung durch die Bank neues Geld. Das Geld, das der Bürger in Form von Münzen und Geldscheinen in Händen hält, wird von der Zentralbank gedruckt, entspricht aber je nach Land oftmals nur noch weniger als 5% der gesamten umlaufenden Geldmenge.
Dabei wäre noch die Frage zu stellen: Warum muss ein souveräner Staat überhaupt für einen Kredit in seiner eigenen Währung Zinsen an Banken zahlen? Eine Antwort findet man vielleicht im derzeitigen Verhalten der amerikanischen Notenbanken, den US-Banken Kredite zu 0% Zinsen zu gewähren, um damit langfristige US-Staatsanleihen zu kaufen, mit denen sie rund 3-4% Zinsen erwirtschaften können. Als Kreditsicherheiten können sie dabei die erworbenen Staatsanleihen selbst hinterlegen. Dieses Perpetuum Mobile wird von der US-Regierung unterstützt, vielleicht auch deswegen, weil sich sonst kein Käufer für die Anleihen bei diesen Zinsen finden lassen würde.
Kommen wir zurück zum ursprünglichen Problem: Je mehr Kredite gewährt werden, desto höher steigt die Geldmenge in der Wirtschaft. Normalerweise investieren Unternehmen das Kreditgeld in die Produktion von Waren und Dienstleistungen mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften (somit ist das neu geschöpfte Geld indirekt bzw. zeitverzögert mit realen Werten gedeckt). Je höher die Gewinnchancen, desto höher steigt der Kreditbedarf, desto mehr wird das Unternehmen investieren, desto höher wird das Wirtschaftswachstum ausfallen, und ergo, desto höher steigt die Geldmenge im System. Allerdings gilt auch. Je mehr Geld in Form von Krediten im Umlauf ist, desto stärker steigt der Druck, Gewinne zu erwirtschaften um die anfallenden Zinsen zahlen zu können. Würde das Geld nur zwischen Produzenten und Konsumenten im Kreis laufen, könnte gesamtwirtschaftlich kein Gewinn entstehen, den man braucht um die ständig anfallenden Zinsen zahlen zu können. Es muss also ständig neues Geld zufliessen. So entsteht eine positive Rückkopplungsschleife im System, die die Ursachen rückwirkend stabilisiert aus denen sie entstanden sind. Die Banken müssen ihre Bilanzen ständig wachsen lassen, um die Forderungen der Aktionäre befriedigen zu können. Daher ist es keine Überraschung, wenn am Ende der Entwicklung Banken so gross geworden sind, dass sie ganze Volkswirtschaften – wie beispielsweise in Island 2007 passiert – in den Abgrund reissen können. Gefährlich wird es nämlich dann, wenn in der sogenannten Realwirtschaft keine ausreichenden Gewinne mehr erzielt werden können um die Schuldenausweitung weiter in Gang halten zu können. In diesem Fall kommt es zu der bekannten Ausweichreaktion des Kapitals in die Finanzmärkte. Der Zusammenhang ist in nachfolgender Abbildung verdeutlicht.
Die Notenbanken stellen den Rahmen bereit, damit die Banken Geld kreieren (1). Sie können diese möglichen Mittel entweder an Unternehmen, den Staat, private Haushalte oder auch selbst verwenden (2). Die Entscheidung, wie die Geldmittel verwendet werden, hängt davon ab, wo die attraktivsten Anlagealternativen zu finden sind. Entweder es werden Projekte in der Realwirtschaft finanziert (z.B. neue Fabriken, Infrastruktur etc.) oder es kann in höherverzinsliche Anlagen in der Finanzwirtschaft investiert werden (z.B. Aktien, wodurch deren Preise steigen) (3a und 3b bzw. 4). Allerdings gilt auch: Um die produktive Basis einer Volkswirtschaft zu sichern oder um überhaupt Wachstum erzeugen zu können, muss aufgrund des Verschleisses laufend reinvestiert werden (5). Gleichzeitig fordert der immer grösser werdende Kreditberg seine Zinsen, die in der Realwirtschaft erarbeitet werden müssen (5). Aus mathematischen Gründen (Stichwort: Zinseszinseffekt) steigt langfristig das Finanzkapital langfristig exponentiell an und drückt, bildhaft gesprochen, immer mehr aus der Zitrone der Realwirtschaft heraus. Die Situation wird deswegen so gefährlich, weil das Kapital, anders als reale Werte, keinem natürlichen Alterungsprozess oder Verschleiss unterliegt. Das Prinzip von Gause kommt auch hier zum Tragen. Wenn mehrere Organismen der gleichen Art um ein um die gleichen Ressource konkurrieren, kommt es zu einem Verdrängungswettbewerb (6), sie können auf die Dauer nicht nebeneinander existieren. Diese Arten mit gleichen Ansprüchen sind Unternehmer, Angestellte, Rentner, Studenten, Arbeitslose und der Staat selbst. Sie alle kämpfen um die gleiche immer knapper werdende Ressource Geld. Der Unternehmer wird unter Druck gesetzt, seine Kosten schlank zu halten. Die reale Kaufkraft von Arbeitern, Angestellten, Unternehmern und Staat sinkt, wie wir nicht nur in Deutschland über die letzten Jahrzehnte feststellen müssen. Dabei bemerken sie gar nicht, dass sie gegeneinander ausgespielt werden. Der Staat muss sparen wo er kann, er streicht Weihnachtsgelder für Beamte, senkt Leistungen an die Bürger, erhöht Gebühren und Abgaben und privatisiert Staatsbetriebe um Geld reinzuholen – oder er nimmt Kredite auf. Der Arbeiter kauft nur noch die günstigsten Angebote, spart beim Essen oder nimmt Kredite auf. Bleibt am Ende dann doch noch etwas übrig, wird gespart. Was man hart erarbeitet hat oder mühsam vom Mund abgespart hat, darf einem der Staat nicht noch abnehmen. Wo kommen wir denn da hin. Dabei wird allerdings vergessen, dass sich das wahre Finanzvermögen in den Händen einiger Super-Reicher konzentriert. Die Vermögen der zehn reichsten Milliardäre der Welt summierten sich 2010 auf rund 340 Mrd. USD. Eine einfache Rechnung zeigt das Problem: Bei einer Renditeforderung von sagen wir der Einfachheit halber 10% müssen im ersten Jahr 34 Mrd. von der Realwirtschaft erarbeitet werden. Im zweiten Jahr schon mehr, weil das Kapital durch den Zinseszinseffekt bereits auf 340+34=374 Mrd. angewachsen ist. Niemand sollte sich wundern, wenn solche Renditeforderungen in der Realwirtschaft nur noch über Kosteneinsparungen (stagnierende Reallöhne, Outsourcing, Betriebsverlagerungen), durch Steigerung des privaten Verbrauchs (Verkürzung der Lebensdauer oder Reduzierung der Qualität von Produkten etc.) oder durch "innovative" Finanzgeschäfte (Cross Border Leasing, leveraged buy-outs, Konsumkredite) erreicht werden kann. Insbesondere letzteres hat in den USA bemerkenswerte Züge angenommen. So sahen sich die US-Bürger zunehmend gezwungen, Kredite zur Finanzierung ihres privaten Konsums auf zu nehmen. Die Zinsen, die aufgrund des weltweit zu vielem Anlagekapital und dadurch ausgelösten Anlagenotstandes stark gesunken waren, löste gleichzeitig Spekulation im Immobilienmarkt an.Die Immobilienbesitzer glaubten an ewige Gewinne und erlagen einer Wohlstandsillusion, was wiederum ihren Konsum und damit das US-Wirtschaftswachstum beschleunigte. Sie trieben sich gegenseitig die Preise für Immobilien künstlich nach oben, natürlich wurde auf Pump finanziert. Als anschließend die aufgeblähten Häuserpreise fielen, hatten die Kreditnehmer ein Problem. Die Häuser dienten nämlich als Sicherheit für die Kredite. Das ist der Grund, warum die amerikanische Notenbank mit ihrer Politik versucht, die Immobilienpreise künstlich hoch zu halten. Schuldzinsen müssen nämlich auch dann noch gezahlt werden, wenn die Kreditsicherheiten gefallen sind. Eben weil die Bank ein Recht darauf hat und alles andere auch das System zum Zusammenbruch bringen würde. Das Problem wird noch akuter, wenn die Zinsen steigen. Nehmen wir den aktuellen Fall Japans: Aufgrund der hohen Staatsverschuldung fliessen bereits rund 20% aller Steuereinnahmen für Zinszahlung ab. Würden die japanischen Zinsen von derzeit 1,5 auf nur 2,5% ansteigen, würden alleine die Zinszahlungen dann 40% der gesamten Steuereinnahmen verschlingen. Dieses Geld stünde dann nicht mehr zur Bezahlung von Lehrern, Polizisten oder beispielsweise Krankenhäuser zur Verfügung.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist nun, dass die beste Therapie für eine zu hohe Verschuldung in einem Gesundschrumpfen oder „Gürtel enger schnallen“ liegt. Vergleichbar mit einer Familie, die zu lange über ihre Verhältnisse gelebt hat und nun durch eisernes Sparen ihre unsoliden Finanzen wieder ins Gleichgewicht bringen – oder anders ausgedrückt, sie ihren Zahlungsverpflichtungen vollumfänglich nachkommen. Mainstream-Ökonomen meinen, dass das auch für Staaten gilt. Genau in diese Richtung gehen die Massnahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dessen Rettungspakte haben das Ziel, den Schuldendienst des Staates zu stabilisieren, indem z.B. öffentliche Ausgaben reduziert werden.
Aber nochmals: In unserem Wirtschaftssystem kämpfen Staat, Unternehmen oder Private um die gleiche Ressource: Geld. Würde man aber verlangen, Staats- oder Privatschulden abzubauen, käme das aufgrund der Konstruktion unseres Geldsystems mit einer Verknappung des Geldes im System gleich, wie oben beschrieben wurde. Die Folge wäre Deflation und politisches Chaos, vergleichbar mit dem was uns Heinrich Brüning als letzter Sparkanzler der Weimarer Republik in den 30er Jahren vorgeführt hat.
Quellen: diverse, eigene Darstellung
Deflation und Depression sind nämlich beides Elemente einer sich gegenseitig verstärkenden Rückkopplungsschleife. Je mehr gespart wird oder je stärker die Vergabe von Krediten eingeschränkt wird, desto stärker bricht die Realwirtschaft ein. Die Produktionskapazitäten wurden ja ursprünglich mit dem Geld aus dem Bankensystem finanziert: durch den anfänglichen Boom befeuerte Nachfrage musste mit einem Anstieg im Angebot beantwortet werden. Fällt jetzt die Nachfrage, müssen die Unternehmen die Preise senken, um wenigstens einen Teil ihres aufgeblähten Produktionsapparats auszulasten. Niemand wird aber Kredite aufnehmen, wenn er weiss, dass die Preise weiter fallen: Ein Teufelskreis. Das ist auch der Hauptgrund, warum die Rettung der Banken als alternativlos betrachtet wird, weil sie die weitere Geld- bzw. Kreditexpansion vorantreiben müssen. Die sogenannte Monetisierung von Schulden (quantitative Easing oder Gelddrucken) der amerikanischen Notenbank hat den Sinn, das instabil gewordenen System vor dem Kollaps zu bewahren. Diese Massnahme, die die Kaufkraft der Steuerzahler weiter senkt, stabilisiert den Verschuldungsprozess und hält die Kettenreaktion in der Finanzwirtschaft in Gang. Aber jede Kettenreaktion geht irgendwann zu Ende, und zwar umso schneller, je weiter die maximale Tragfähigkeit im Ökosystem überschritten worden ist.
Der Zusammenhang zwischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem
Zahlreiche Historiker meinen, dass Gesellschaften selbst einem Lebenszyklus unterliegen Der griechische Gelehrte Aristoteles beispielsweise fasst Geschichte als ein Kreislauf von Staatsformen auf. Der Grund für den Wechsel von einer in eine andere Staatsform oder Verfassung ist laut Wikipedia:
"…durch den moralischen Verfall (die Sicherheit ihres Lebens als Herrschende verursacht bei ihnen Habsucht, Überheblichkeit, Ungerechtigkeit und Herrschsucht) und den daraus folgenden Machtmissbrauch des jeweils Herrschenden oder der jeweils herrschenden Gruppe und werden wieder durch eine sich neu formierende Gruppe gestürzt. So löst die Tyrannis zwingend die Monarchie ab, um dann gestürzt zu werden. Die sich nun bildende Aristokratie erleidet ebenfalls das Schicksal, dass die Herrschenden ihre Macht missbrauchen und sich das System so zur Oligarchie wandelt, die nicht mehr das Gemeinwohl, sondern ihr eigenes Wohl im Sinne hat. Diese wiederum wird von der Demokratie, der Herrschaft des Volkes abgelöst, die sich als letzte Stufe zwingend zur Ochlokratie, der Herrschaft des Pöbels, entwickelt. Hier schließt sich der Kreislauf, wenn sich eine starke Einzelperson aufschwingt und wieder eine Monarchie installiert....".
Und tatsächlich lässt sich der Verfassungskreislauf in der Geschichte immer wieder beobachten. Er liefert reichlich Anschauungsmaterial für Krisenforscher. Der Ökonom Gustav Ruhland untersuchte im Auftrag des damaligen Reichskanzlers Bismarck systematische Krisenmechanismen der letzten dreitausend Jahre menschlicher Kulturgeschichte. Das allgemeine Krisenmuster, das Ruhland bei Griechen, Römern, Spaniern, Arabern etc. fand war die gesellschaftliche Spaltung aufgrund der Umverteilung von vielen Besitzlosen zu wenigen sehr reichen Gewinnern dieses Prozesses. Charakteristische Symptome für beginnende Systemkrisen gemäss Ruhland (vgl. System der politischen Ökonomie, Band III, Freiburg/Schweiz,1908) sind:
§ Allgemeineres Streben nach Geld.
§ Starker Bedeutungsanstieg von Handel, Börse, Banken. Wachsende handelspolitische Abhängigkeit vom Auslande.
§ Alles ist eine beliebig verkäufliche Ware geworden.
§ Zunehmende Verschuldung des Volkes, Vernichtung des selbständigen Mittelstandes.
§ Immer schärferer Gegensatz zwischen der Armut der Massen und dem Reichtum Weniger. Zunehmender Luxus und zunehmende Steuerlast des Volkes.
§ Die guten Sitten der Väter werden durch Sittenlosigkeit verdrängt.
§ Der Staat führt Kriege im Interesse des Reichtums des Königs und der Grosskapitalisten.
§ Flucht der Bevölkerung vom Lande nach der Stadt und Abwanderung nach dem Auslande.
§ Zunehmende Unzufriedenheit des Volkes. Ansammlung von arbeitslosen Proletariern in der Hauptstadt, ihre Unterstützung aus öffentlichen Fonds, Ausbreitung des Sozialismus und Anarchismus
(stellen Sie sich doch selbst mal die Frage, welche dieser Punkte auch auf unsere aktuelle Situation zutreffen könnten).
Die Gesellschaften zerbrachen nach Ruhland dann letztlich an sozialer Spaltung. Ruhlands Erkenntnisse waren damals schon den Lesern religiöser Texte bekannt. Das Verbot Zinsen zu nehmen wird ausdrücklich in der Bibel und im Koran erwähnt und ist zentraler Bestandteil beider Religionen. So heisst es im Koran „diejenigen, die Zinsen verschlingen, sollen nicht anders dastehen, als wie einer, der vom Satan erfasst und zum Wahnsinn getrieben wird…“ In der Bibel steht: „…der Zinsen gibt… soll nicht Leben, sondern, weil er alle diese Greuel getan hat, soll er des Todes sterben…“
Die Religionen verboten nicht ohne irgendeinen Grund etwas in einer solch deutlichen Sprache. Zinsen wurden deswegen verdammt, weil man erkannt hatte, dass sie das Sozialkapital oder der Kit, der die Gesellschaft zusammenhält, zerstören. Aristoteles verglich das Zinsnehmen mit Sodomie, beides unnatürliche Praktiken in seiner Sicht, Während es im Islam noch heute (mehr oder weniger) streng angewandt wird, hat sich die christliche Kirche in der Vergangenheit schrittweise praktisch davon gelöst. Unter Heinrich dem Achten, begann man in England im Jahr 1571 das Gewinnstreben als Natur des Menschen zu sehen. Im Deutschen Reich gab es mehrere Versuche das Zinsnehmen durchzusetzen. Aus der Summe der fortgesetzten Teilerfolge leitete die Rechtswissenschaft dann ab, dass das Zinsverbot gewohnheitsrechtlich abgeschafft worden war. Im Jahr 1830 wurde das Zinsnehmen bei Christen offiziell nicht mehr verdammt. Es ist kein Zufall, dass diese Entscheidung mit den Anfängen der industriellen Revolution zusammenfällt. Die Erfolge der industriellen Revolution veränderten grundlegend Denkweisen, Verhaltensmuster und damit Struktur in der Gesellschaft. Die Menschen wurden selbstbewusster und huldigten dem Fortschrittsgedanken. Die Religion mit ihrem Zinsverbot wurde als etwas den Fortschritt störendes empfunden. Es verwundert daher nicht, dass in den heutigen Lehrbüchern der Ökonomie der Zinsproblematik für die gesellschaftliche Stabilität keinerlei Bedeutung beigemessen wird. Es wird nicht mehr gefragt, welche langfristigen Folgen das Zinsnehmen auslösen kann, sondern es dreht sich nur um die angemessene Höhe. Zinsen führen aber aus mathematischen Gründen immer zu einer Umverteilung innerhalb der Gesellschaft. Sie wirken wie ein Treibsand für die Mehrzahl der Bevölkerung. Je höher man sich verschuldet, desto höher sind die geforderten Kreditzinsen der Bank. Die Umverteilung im System beschleunigt sich dadurch. Frühere Kulturen haben das erkannt und deswegen Mechanismen entwickelt, mit denen die exponentielle Natur des Schuldenwachstums begrenzt werden sollte um damit das System vor dem Kollaps zu bewahren. So wurden damals beispielsweise alle fünfzig Jahre so genannte Jubeljahre ausgerufen, durch die den Schuldnern ihre Schulden erlassen wurden und Ehefrauen und Töchter, die damals als Kreditpfand dienten, wieder zu ihren Familien zurückkehren durften. Die Jubeljahre hatten genau den Sinn, die drei entscheidenden Bereiche der Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht zu bringen: Schulden, Preise und Überproduktion.
Der Nobelpreisträger Soddy hat bereits in seinem Buch "Wealth, Virtual Wealth and Debt" vor dem 1929 Crash den fundamentalen Unterschied zwischen echtem Wohlstand und virtuellem Wohlstand in Form von Geld und Schulden hingewiesen.
Der durch die exponentiell ansteigenden Finanzwerte resultierende fortschreitend stärker werdende Renditedruck hat noch eine weitere Konsequenz. Die Zentralbanken muss die Geldmenge jährlich mindestens um den Betrag ausweiten, in dem Mittel für die Zahlung von Zinsen bereitgestellt werden müssen, da sonst fortlaufend Konkurse stattfinden würden. Damit sind die Zentralbanken also direkt in der Entstehung und im Aufrechterhalten dieses positive Feedbackverhalten mitverantwortlich. Nimmt man die gesamte Verschuldung der USA seit 1940, ist diese auf 11,9 Bio. bis Ende 2009 angestiegen. Davon sind alleine 8,161 Bio. Zinszahlungen (=68%). 2/3 der Staatsschulden der USA sind Zinseszinsen. Im Fall Deutschlands muss jeder Bundesbürger monatlich xx € seiner Kaufkraft für die Renditeforderung des Kapitalsystems abgeben. Darin eingeschlossen sind auch die indirekten Beiträge, die jeder Bürger in Form von Preisen und Gebühren bezahlt. Vgl. hierzu Ibn Khaldun http://de.wikipedia.org/wiki/Ibn_Chaldun.